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Auftaktveranstaltung
Spangenberg 2. April 2019


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Fachwerkstädte gehen neue Wege

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 Die Teilnehmer auf der Baustelle
Die Teilnehmer auf der Baustelle. Im Tagungssaal
Im Tagungssaal.

Fachwerk-Triennale 19 startet in Spangenberg zum Thema „Qualifizierung im Bauhandwerk“
von Diana Wetzestein

02. April 2019_Spangenberg. Über dieser Stadt thront das Schloss Spangenberg. Es symbolisiert die Erfolgsgeschichte dieser Region und einer Stadt, die bereits 1261 als solche bezeichnet wurde. Die Entwicklungsgeschichte spiegelt sich auch in der Baukultur wider, durch viele mehrstöckige Fachwerkgebäude im Altstadtkern.

Knapp 800 Jahre nach der Stadtgründung geht es wieder einmal darum, neue Wege auszuprobieren, um den Herausforderungen der Zeit in einer Fachwerkstadt standhalten zu können. Darum nimmt Spangenberg an der Fachwerk Triennale 19 der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V. (ADF) teil, zu der Bürgermeister Peter Tigges beinahe 50 Teilnehmer begrüßte. Darunter der Präsident der ADF, Prof. Manfred Gerner, Maren Sommer-Frohms, Geschäftsführerin und Hans Benner als Vorsitzenden. Von Projektbegleitungsbüro StadtLand GmbH aus Leipzig war Dr. Uwe Ferber dabei, Henning Schwarting vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Christian Kuthe, Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Wohnen sowie die Bürgermeisterkollegen aus Bleicherode, Rietlingen, Seligenstadt, Melsungen, Hann. Münden, Herborn und Treffurt.   

Integration und Qualifikation, Klimaschutz und Bürgerbeteilig durch Bürgerfonds sind die Themen der FachwerkTriennale 19, an der sich zwölf Städte mit 13 Projekten beteiligen. Für den Auftakt bot Spangenberg viel Geschichte, wunderbare Ausblicke auf und in Fachwerkbauten sowie erste Ergebnisse des Projektes „Händewerk Spangenberg“.

In der Frühmessergasse wird daran gearbeitet. Ein Baugerüst umschlingt ein Gebäude, eine blaue Plane schützt die offene Wand des zweiten Gebäudes. Gemeinsam stehen sie direkt an der Stadtmauer an der Zufahrt zur Altstadt. Die Sandsteine aus dem Sockel wurden beiseitegelegt, im Inneren des zweistöckigen Gebäudes ist kaum noch etwas von der alten Bausubstanz zu erkennen. „Der älteste Teil sind Reste des Fundamentes aus dem Jahr 1665“, sagte Martin Will, der die Gruppe über die Baustelle führte. Der Blick hinter die Plane machte deutlich, welche Herausforderung hier angenommen wurde. Das Gebäude ist völlig entkernt und abgestützt. Für Laien schwer vorstellbar, dass dieser Baukörper für eine neue Nutzung wiederherzurichten sein soll. Doch einer der Akteure, die Spangensteine e. V., hat bereits die Werner Pfetzing Stiftung Himmelsfels bei der Sanierung des Burgsitzes erfolgreich unterstützt. Jetzt gehen Spangensteine und Milde Stiftungen Spangenberg die Sanierung der Frühmessergasse an, wo sozialer Wohnraum, Lager, Büro, eine Gewandmanufaktur und Raum für Ausstellungen geschaffen werden. Das Jobcenter schreibt für dieses Sanierungsvorhaben Qualifizierungs-Maßnahmen aus, so werden Menschen an die Baustelle gebracht, die Arbeit suchen und gleichzeitig mit der historischen Bausubstanz und der Geschichte konfrontiert werden.

Schon einmal ist das gelungen, 2014 erhielt man dafür den Hessischen Denkmalschutzpreis. Denn im Burgsitz wurden Langzeitarbeitslose und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund in einem Projekt mit dem Bauhandwerk und vielen Mitstreitern bekannt gemacht. Sprachebarrieren wurden überwunden und Integration gelebt. Und zudem ein prominentes, 20 Meter hohes Fachwerkgebäude saniert und erhalten. Imposant baut es sich vor dem Betrachter auf und verbirgt viele Schätze in seinem Inneren, wie historische Säulen, Wandmalereien, 18 Meter lange Unterzüge, Fußböden und Wandauskleidungen, die aus dem 16. Jahrhundert stammen und eine Dachkonstruktion, die als doppelt liegender Stuhl aus Eichenholz ein Kunstwerk für sich darstellen. Und alle staunen ließen.

Am Marktplatz machte Bürgermeister Tigges auf eine besondere Herausforderung aufmerksam. „Wir haben hier sehr große historische Fachwerkbauten, deren Besitzer bei der Erhaltung finanziell und bürokratisch an ihre Grenzen stoßen“, so der Bürgermeister. Vor allem, was die Einstufung dieser Gebäude in die Brandschutzklasse 5 bedeute, mache man sich erst klar, wenn die Bürokratie auf die Realität träfe. Müssen Bauanträge für Teile neu gestellt werden, müssen die Fluchtwege auf einmal 90 Zentimeter breit sein. Die Fachwerkhäuser könnten hier aber nur 80 Zentimeter bieten, in anderen Bundesländern hätten wieder andere Maßvorgaben, so Dr. Dieter Jakob, Besitzer einiger Immobilien am Marktplatz und leidenschaftlicher Akteur gegen nicht nachvollziehbaren Bürokratismus.  

Im Anschluss übernahm Dr. Ferber die Moderation in der Altstadtresidenz, wo Prof. Manfred Gerner die Bedeutung dieser Projekte für die Stadtentwicklung im Hinblick auf Klimaschutz, Denkmalschutz und Migration herausstellte. „Wir stellen drei Handlungsfelder auf, die unter verschiedenen Aspekten von unterschiedlichen Akteuren bearbeitet werden. Die Ergebnisse werden am Ende zusammengeführt und auch, wenn nicht jedes Projekt erfolgreich sein kann, benennt es am Ende die Hürden. Die Mehrzahl ist erfolgreich und zeigt planerische und bauliche Maßnahmen auf, die jeder Stadt am Ende zur Verfügung gestellt werden“, so Gerner. Jedes erfolgreiche Projekt stelle ein Instrument zur Stadtentwicklungspolitik dar und erfülle damit den Förderzweck der Nationalen Stadtentwicklungspolitik. „Die Themen demografischer Wandel und Integration werden uns noch lange beschäftigen“, sagte auch Henning Schwarting und gab einen Ausblick auf die hessische Legislaturperiode bis 2024. „Laut Koalitionsvertrag sollen mit der Aufnahme und vollen Gegenfinanzierung des Städtebauförderungsprogramms „Kleinere Städte und Gemeinden“ wollen wir gezielt den ländlichen Raum noch stärker fördern“, sagte er. Und auch Christian Kuthe sieht hier noch Handlungsbedarf und rät, „individuelle Chancen zu suchen und dann öffentliche und private Akteure zu vernetzen“, um das geschlossene Stadtbild zu erhalten, da es identitätsbildend sei.

Prof. Gerner machte in seinem Beitrag deutlich, dass „Neue Wege“ zu gehen für die Menschen in den Fachwerkstädten bedeute, „dass diese Ankunftsstädte werden sollten, um Migranten zu Fachwerkbürgern zu machen. 62 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht, weitere Flüchtlingswellen sind zu erwarten“, sagte er. Darum habe die ADF das Projekt Integration und Qualifikation als Handlungsfeld gewählt. „Wir haben diametral auf der einen Seite die Migrationsströme, die gesteuert werden müssen, auf der anderen Seite haben wir freie Arbeitsplätze. Sprach- und Berufsausbildung sind der Schlüssel zum größtmöglichen Erfolg“, so Prof. Gerner. In Celle, Duderstadt, Eschwege, Hann. Münden, Herborn, Neumünster, Riedlingen, Seligenstadt und Spangenberg gibt es dazu Triennale-Projekte.

„Klimaschutz und Denkmalschutz harmonieren. Wir müssen nur die Möglichkeiten, die sich heute bieten bekannt machen“, sagte Gerner zum Handlungsfeld Klima. Mit den Kompetenzzentrum Klimaschutz im Hessenpark Neu-Anspach werde gerade ein Fachwerk-Musterhaus gebaut, das modernes Wohnen im historischen Haus möglich mache und für Beratung und Forschung zur Verfügung stehe. Parallel dazu gebe es in Wolfhagen, Bleicherode, Schiltach und Hann. Münden Pilotquartiere. Während in allen vier Städten die Strukturuntersuchungen abgeschlossen, in Wolfhagen bereits Quartiersmanager und Energieberater tätig seien, habe Bleicherode erste Immobilien angekauft, um Konzepte zu entwickeln. Und Hann. Münden sei mit der Konzeptimmobile für das Fachwerk-5Eck am Start.

Fachwerkimmobilien, die mit neuen Nutzungskonzepten wiederbelebt werden können, gibt es ausreichend. Und auch Bürgerinitiativen mit Ideen sind vorhanden. Oftmals fehlten die finanziellen Mittel und der Mut, eine Immobilie zu erwerben. Hierfür hat die ADF einen Bürgerfonds als Trägermodell entwicklt. „Der zentrale Baustein wurde in 2018 gelegt. Ein Sondervermögen der ADF ist bei der Stiftung Trias eingerichtet und Verträge mit Bleicherode und Hann. Münden abgeschlossen wurden“, so Gerner.   

Spangenberg war der Startschuss für insgesamt 13 Veranstaltungen, die einzelnen Projekte versprechen einen spannenden Projektparcours. Der Zieleinlauf findet am 25. November in Berlin statt, „wo es um Finanzierungsmaßnahmen gehen wird und wo Vertreter von Bund und Ländern anwesend sein werden, weil es auch dort um die Menschen und die Fachwerkstädte geht“, sagte Maren Sommer-Frohms abschließend.


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